Text 04

In Vance Packards Vision einer "Stadt der Zukunft" sind ohnehin schon "alle Gebäude aus einer besonderen Papiermasse, so daß sie jedes Frühjahr und jeden Herbst zur Zeit des großen Hausputzes abgerissen und neu gebaut werden können". Und "jede vierte Fabrik liegt an einem steilen Abhang, und das Ende ihrer Fließbänder läßt sich sowohl nach den vorderen wie nach den rückwärtigen Toren schwenken. Ist die Nachfrage flau, wird das Ende des Fließbandes zum rückwärtigen Tor geschwenkt, und der ganze Ausstoß an Kühlschränken oder anderen Erzeugnissen verschwindet in der Tiefe und wandert unmittelbar auf die Schrotthalde, ohne erst den Verbrauchsgütermarkt zu überschwemmen."
Noch versucht die Industrie, der Übersättigung des Gebrauchsgütermarktes beizukommen durch "alle zwei Jahre ein neues Modell"; durch die Verschwendung von von Millionen auf eine Forschung, die weniger der Verbesserung der Produkte, als ihrer Absetzbarkeit dient; durch den individuellen Mülleimer für sinnlose, nur teure, Profit ermöglichende Verpackungen (die Kosten für die Müllabfuhr trägt der Verbraucher); durch eine ebenso radikal verlogene wie kostspielige Werbung; Millionen an Arbeitszeit und -kraft werden vergeudet für den eingebauten Verschleiß ("Obsoleszent"), das geplante Todesdatum, so daß die Eisschränke, Rasierapparate, Damenstrümpfe, das Spielzeug, die Glühbirnen viel eher kaputt gehen, als bei dem für sie aufgewendeten Material und der in sie vertane Zeit und Kraft notwendig wäre, um eine Nachfrage künstlich in Gang zu halten, um durch Produktion und Verbrauch Profitraten zu erziehlen, die wieder privat investiert werden, nicht um gesellschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen, sondern die Akkumulation von Kapital zu ermöglichen. (Was es im Kapitalismus gibt, gibt es im Warenhaus. Was es im Warenhaus nicht gibt, gibt es im Kapitalismus nur schlecht, nur unzulänglich, unzureichend: Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Gesundheitswesen, etc. pp. ).
Das Gesetz schützt die Menschen nicht davor, daß ihre Arbeitszeit und -kraft, der von ihnen geschaffene Mehrwert vernichtet, verdorben, vergeudet wird, daß sie durch Werbung über ihre eigenen Produkte belogen, durch Arbeitsorganisation und Verheimlichung von allen Informationen über ihre Produkte getrennt werden, als Produzenten wie als Verbraucher denen unterworfen und ausgeliefert sind, die sich den Profit aneignen und nach eigenem Gusto investieren. Nach eigenem Gusto heißt nach der Logik des Profits also da, wo neuer, mehr Mehrwert angeeignet werden kann, nicht da, wo das Geld effektiv und von allen gebraucht wird: also z .B. im Erziehungswesen, im Gesundheitswesen, für öffentliche Verkehrsmittel, für Ruhe und reine Luft und Sexualaufklärung etc.
Der Ghetto-Neger, der brennende Geschäfte plündert, erfährt, daß das System nicht zusammenbricht, wenn er sich kostenlos beschafft, was er dringend braucht, sich aber aufgrund seiner Armut und Arbeitslosigkeit nicht kaufen kann, er kann lernen, daß ein System faul ist, das ihm vorenthält, was er zum Leben braucht. Die Waren dagegen, die Frankfurter aus Frankfurter Kaufhäusern wegschleppen könnten, wären kaum die, die sie wirklich brauchen. (Ausgenommen Geschirrspülmaschinen, die in den Statistiken über Haushaltsgeräte in deutschen Haushalten noch kaum vorkommen, obwohl es fast 10 Millionen erwerbstätige Frauen in der Bundesrepublik gibt, sie müßten sie alle haben. Die sind aber nicht nur zum kaufen zu teuer, sondern zum Wegschleppen auch zu schwer.) Bei einer Warenhaus-plünderung hierzulande würde nur der Bestand an Sachen, in einigen Haushalten vergrößert, die ohnehin nur der Ersatzbefriedigung dienen, jener "private Mikrokosmos" würde perfektioniert, über den einsam zu herrschen den einzelnen über die Bedingungen hinwegtrösten soll, unter denen er als gesellschaftlicher Produzent zu arbeiten gezwungen ist. Jene kollektiven Bedürfnisse, die in reichen kapitalistischen Ländern eklatant unbefriedigt bleiben, würden davon nicht berührt.