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  B  Eine nicht profit-orientierte, öko-gastrosophisch-gastronomische 
     Organisation.

  A  Wir treffen uns jeden Monat einmal in verschiedenen wechselnden 
     Restaurants, die bestimmte Kriterien erfüllen müssen Wir kümmern 
     uns auch um die Produkte der Region, auch um Lebensmittelhand- 
     werker hier in der Stadt, gute Metzger beispielsweise, mit denen 
     machen wir was zusammen. 

  B  Das Thema Wein spielt auch eine große Rolle. Das heißt, wir gehen 
     vor allen Dingen vom Produkt aus. Wir sind auf der Suche nach 
     guten Produkten und wir wollen vor allen Dingen die regionalen 
     Produkte fördern. Wir überzeugen zum Beispiel auch italienische 
     Gastronomen, die bei uns Mitglieder sind, dass sie mit Belitzer 
     Kaninchen und Ruppiner Lamm in der Küche arbeiten oder mit Ha- 
     velzander und dergleichen mehr. Und das tun sie auch, und sind 
     immer mehr davon überzeugt. 

  C  Langsamkeit, diese Zeit - was genau heißt das? Darf ich mir keine 
     schnelle Pasta machen, ist das verpönt, ist das böse? 

  A  Ich glaube, langsam bedeutet vor allen Dingen Entschleunigung. 
     Langsam bedeutet sicher auch, dass man sich beim Essen auch Zeit 
     lässt und es eben nicht wie beim Fastfood herunterschlingt und 
     dass man sich am Wochenende die Zeit nimmt, vor allen auch ge- 
     meinsam isst. Philosophie des gemeinsamen Essens. Das muss auch 
     wieder in die Familie zurückkommen. 

  C  Welcher Art Mensch spricht das an? 

  B  Das ist sehr, sehr unterschiedlich. Wir haben hier eine Mischung, 
     das sind Rechtsanwälte, Lehrer, Leute aus der PR-Branche. Es sind 
     auch stadtbekannte Politiker Mitglied bei uns, Journalisten. Wir 
     sind nicht Konsumenten und Verbraucher, nein wir sind Koproduzen- 
     ten. Wir wollen genau wissen, wo das herkommt, was das ist, was 
     wir essen und das sollten wir auch wieder lernen. Mal wieder zum 
     Metzger gehen und fragen, woher kommt das, was Sie da auf der 
     Fleischtheke haben. 

  A  Das ist aber auch ein Ansatz um den Leuten auch mal ein bisschen 
     am Gewissen zu rütteln und zu fragen, wisst ihr eigentlich, was 
     ihr da macht und was ihr esst? Wir zitieren immer gerne eines 
     unserer prominentesten Mitglieder, das sagt: Das Produkt ist der 
     Star in der Küche, nicht der Koch. Das ist genau unsere 
     Philosophie. 

  C  Welche Küchen in dieser Stadt sind zum Beispiel auch noch 
     Mitglied bei Ihnen?

  B  Wir haben sowohl Mitglieder als auch Förderer, das ist noch mal 
     ein besonderer Status. Das geht bei den Sterne-Restaurants los, 
     das Margaux, Bobby Breuer hat angekündigt, dass er Mitglied wer-
     den möchte, das Vau. Wir haben auf der anderen Seite auch einige 
     einfachere Restaurants, vor allen Dingen eben auch Italiener. Es 
     gibt eine ganze Reihe von Restaurants, die Mitglieder sind, das 
     Cafe Aroma haben wir, wir haben das Rivaltone am Vicoria-Louise- 
     Platz und einige mehr.

  A  Sauber und fair sind im Vergleich zu gut ziemlich konkrete Be- 
     griffe. Wie definieren Sie gutes Essen, gute Produkte? Ist das 
     nicht Geschmackssache?

  B  Natürlich kann gutes Essen sehr subjektiven Beurteilungen unter- 
     liegen. Aber die Wissenschaft hat große Fortschritte gemacht. 
     Unsere Sinne senden Signale ans Gehirn, das 16 Millionen davon 
     speichern kann. Sinnlichkeit findet also auch im Gehirn statt, 
     damit wird vieles davon messbar.

  A  Trotzdem bleibt Qualität eine individuelle Erfahrung.

  B  Klar. Sinnlichkeit ist eine wichtige Komponente unserer Entwick- 
     lung, unserer Bildung - aber sie geschieht eben nicht nur außer- 
     halb des Gehirns. Es fängt damit an, ob man überhaupt den Willen 
     aufbringt, die Aromen und Gerüche auch auseinander zuhalten, die 
     unser Gehirn aufnehmen kann. Will ich das, kann ich zum Kenner 
     werden, will ich das nicht, bleibt mir die Welt, die mich umgibt 
     verschlossen. Die Erfahrung unserer Sinnlichkeit ist Teil unserer 
     persönlichen Kultur, unserer Menschwerdung, und sinnliche Wahr- 
     nehmungen sind die Grundlage von Bildung und Wissen.

  A  Sauber und fair, die zwei anderen ethischen Begriffe?

  B  Diese modernisieren das Gute. Es reicht uns nicht mehr, uns auf 
     den Geschmack zu konzentrieren. Da gehört mehr dazu. Gastronomen 
     müssen auch Biologen, Chemiker, Agronomen, Historiker, Anthropo- 
     sophen sein.

  A  Es ist kein Geheimnis, dass ich aus der Linken komme. Ich gebe 
     meine Stimme ab, glaube aber, dass Slow Food weit interessanter 
     und prickelnder ist, als die meisten Parteien. 

  B  Unsere Werte sind unsere Werte. Punkt.